top of page

Sternenkind


Ich gehöre zu 9-17% aller Frauen zwischen 20-30 Jahren. Ich bin Mutter eines Sternenkindes. Hier mein Bericht. Für mich. Für andere Sternenmütter. Und für Frauen, die Hoffnung suchen.

21.12.2015

Etwa heute muss es geschehen sein. Unser Kind ist entstanden. Seit 2 Jahren wünsche ich es mir. Hoffe, bange, aber bin noch entspannt, denn es gibt noch Gründe, aus denen es klug wäre diesen Schritt noch nicht zu gehen. Wir haben es diesen Monat zum ersten Mal versucht. Ich habe ehrlich gesagt nicht mit Erfolg gerechnet.

08.01.2016

Ich sehe 2 blaue Streifen! Ich bin völlig überwältigt. Mit einem Gesicht zwischen Freude und Weinen sitze ich auf dem Klodeckel und schaue völlig verblüfft auf den Test, der meine Welt soeben aus den Bahnen geworfen hat. Ich bin so erleichtert - und ehrlich gesagt mordsmäßig überrascht. Unglaublich, dass es gleich beim ersten Versuch geklappt hat. Ich kann meine Freude nicht in Zaum halten. Freudig telefoniere ich mit meinem Liebsten, der nur mit einem Grinsen in der Stimme flüstert: "Meine Jana hat was Frisches im Bauch."

10.01.2016

Eine Blutung! Es ist nur ein Kleks, mehr nicht. Aber ich habe so ein Flattern im Herzen. Ich spüre die Panik und befrage sogleich meinen Freund Google. Als ich vermehrt von Kontaktblutungen und "Alles halb so schlimm"-Kommentaren lese, beruhige ich mich langsam wieder, mache aber trotzdem einen Frauenarzt-Termin aus. Die Stimmung ist gedrückt, aber mein Mann heitert mich auf.

13.01.2016

Termin beim Frauenarzt! Bei der vaginalen Ultraschalluntersuchung sehe ich das erste Mal mein kleines Wunder. Ich bin überwältigt. Als die Ärztin dann noch sagt, dass alles normal aussieht und und ich mir keine Gedanken machen muss. Meine gute Laune ist wieder da. Ich habe wieder Hoffnung und bin so erleichtert. Ich befinde mich etwa in der 5. SSW und soll mich die darauf folgende Woche noch einmal vorstellen, weil noch kein Herzschlag zu erkennen ist.

21.01.2016

Der zweite Termin, wieder ein vaginaler Ultraschall, wieder kein Herzschlag. Ich bin am Tiefpunkt. Meine Stimmung könnte nicht pessimistischer sein. Obwohl die Ärztin mich mit guten Tipps und positiven Kommentaren beschwört nicht gleich vom schlimmsten auszugehen, hat sich in mir schon ein kleiner Zweifel geregt. Ich glaube nicht mehr an den Erfolg.

28.01.2016

Der nächte Ultraschall, diesmal bei einem anderen Frauenarzt. Er meint ein Zucken gesehen zu haben, welches man als Herzschlag durchgehen lassen könnte. Allerdings ist da dieser Schatten. Dafür gibt es 3 Möglichkeiten: Eine Art "blauer Fleck" resultierend aus der Kontaktblutung, eine Zwillingsanlagerung oder aber eine Blutung. Mein Frauenarzt bleibt optimistisch. Wiederholt höre ich den Satz: "Es gibt keinen Grund vom schlimmsten auszugehen." Allerdings bin ich schon dabei mich zu verabschieden, denn ich fühle, dass es nicht klappt. Ich weiß es einfach.

03.02.2016

Dies wird mein letzter Ultraschall sein. Und irgendwie wusste ich das schon, als ich die Praxis betrete. Meine Stimmung ist mies. Alles in mir schreit. Als ich mich gegenüber des Arztes platziere, fragt er mich ob alles in Ordnung ist. Ich bin ehrlich und antworte: "Ich glaube nicht, dass mein Baby noch unter uns ist." Der Arzt ist bestürtzt, meint, dass es dazu doch keinen Anlass gäbe und macht den Ultraschall. Dann ... Stille. Er macht noch einmal einen Ultraschall von oben. Keine optimistischen Aufmunterungsversuche, keine Ausreden. Die Fruchthöhle ist riesig, das Baby ganz klein. Kein Herzschlag. Hat sein Herz überhaupt je geschlagen? Ich werde es nie erfahren, aber für mich hat es gelebt. Ich bin in der 9. SSW. Mir wird gesagt, dass ein Abort in dieser Phase nicht ungewöhnlich wäre ... wie aufmunternd.

Ich werde ins Krankenhaus überwiesen. Auch diese Ärztin stellt die Diagnose. Mein Kind ist tot. Mir wird geraten so schnell wie möglich eine Ausschabung zu machen, da es in diesem Stadium zu schweren Blutungen bei der natürlichen Variante kommen kann. Ich würde nie wieder einer Ausschabung zustimmen nach dem was ich erlebt habe. Aber man lernt aus seinen Fehlern. Mein Mann ist auf Montage. Ich bin mit meiner Trauer allein. Ich weine, weine, weine. Aber es bringt nichts.

04.02.2016

Heute ist alles anders. Ich weine nur noch selten. Schreie im Inneren. Meine Miene ist undurchschaubar. Ich hasse mich für meine Gedanken. Sehe ich Mütter oder Schwangere, kann ich nur Abscheu empfinden. Und ich hasse mich dafür. Ich hasse mich, weil ich nicht in der Lage bin ein Kind zu halten. Ich hasse mich dafür, dass ich es meiner Familie schon freudestrahlend erzählt habe. Nun muss ich für meinen Optimismus büßen. Denn jeder von ihnen muss nun vom Tod eines Menschen erfahren, den wir nie kennenlernen werden.

05.02.2016

Ich verpasse die Geburstagsfeier einer guten Freundin. Und warum? Ich liege im Krankenhaus, mit nichts als einem kleinem Leibchen bekleidet. Mein Herz ist gebrochen. DieSchwestern agieren mitfühlend, aber routiniert. Ich bin mit 2 anderen Frauen in einem Zimmer. Überall um mich herum Trauer. Ich werde als letzte behandelt, denn mein Muttermund muss noch mit einem Mittelentspannt werden. Warum? Weil ich die Einzige bin, die noch kein Kind zur Welt gebracht hat. Das Monster in mir ist missgünstig. Warum hab ich nicht wenigstens ein gesundes Kind?

Als ich mitbekomme, dass die Frau neben mir ihr gesundes Kind mit Herzschlag abtreibt, weil ihr Freund sie sonst verlässt, empfinde ich nur Hass und Abscheu für diese Frau. Das Schlimmste ist, sie ist die, die am meisten heult. Sie weint und weint und lässt uns an ihrem Schmerz und wie schlimm das alles ist teilhaben. Fakt ist: Ich bin hart! Ich bin fies! Ich bin der Meinung, wer ungeschützten Sex haben kann, muss auch für die Folgen bereit sein. Als ich dran bin, werde ich in einen anderen Teil des Krankenhauses geschoben. Ich habe Beruhigungstabletten bekommen, die nicht wirken. Als mir das Narkosemittel gespritzt wird, warten alle, dass ich einschlafe. Doch ich schlafe nicht ein. Mein Kopf arbeitet. Er denkt an dieses kleine Leben, das zwar nicht mehr lebt, aber vom dem ich mich heute offiziell verabschiede in mitten von fremden Menschen, die mich nur so schnell wie möglich bewusstlos kriegen wollen. Schließlich wird mir eine Maske über Mund und Nase gestülpt und Narkosegas zugeführt. Nun kann auch ich mich nicht mehr der lockenden Dunkelheit verschließen und alles wird schwarz. Ich wache in einem Aufwachraum auf. Eine nette Schwester ist da und unterhält sich mit mirüber Belanglosigkeiten. Sie weiß weswegen ich hier bin. Und ich finde es nett, dass sie mit mir über schlechtes Wetter und ihre Überlegungen was sie ihrem Mann zum Abendessen kocht, redet. Das macht es leichter. Ich glaube sie führt mit allen, die hier herein geschoben werden, dieses Gespräch. Doch das stört mich nicht.

Zur Nachkontrolle schaut eine Ärztin mittels vaginalen Ultraschall ob alles seine Richtigkeit hat.

Vorher muss ich mit den anderen beiden Frauen im Gang der Geburtsstation warten. Sehr taktvoll. Ich höre Babygeschrei, Menschen mit Blumensträußen fragen mich lächelnd wo der Kreissaal ist. Neben mir weint die Abtreiberin. Ich kann nicht beschreiben wieviel Wut in diesem Moment in mir brodelte.

Schließlich werde ich ins Untersuchungszimmer gerufen - als Letzte. Ich beschließe in diesem Moment, dass dies mein letzter vaginaler Ultraschall sein wird. Nie wieder!

Ich habe starke Blutungen. Mir wird gesagt, dass das schon zur OP ein Problem war. Als ich frage, ob ich trotzdem normal Kinder kriegen kann, bejaht sie das. Ich glaube ihr nicht.

Meine Mutter fährt mich heim und ich schlafe auf dem Sofa ein. Als ich aufwache, ist mein Mann wieder da. Er weint. Er meint, er habe erst jetzt richtig begriffen, dass unser kleines Abenteuer schon vorbei ist.

12.05.2016

Mein Hass hat sich etwas gelegt. Ich bin wieder ein Mensch. Noch immer habe ich Momente des Neides. Aber ich kann wieder gönnen. Wir probieren es heute das erste Mal wieder. Ich sage immer, dass es sowieso nicht funktioniert, lüge mich aber selbst an, denn ich fühle diesen Druck. Es muss funktionieren. Ich werde nicht mehr glücklich ohne Kind. Die letzten Wochen waren schwer. Auch für meinen Mann. Ich habe starke Stimmungsschwankungen. In der Zeit, in der ich wusste, dass ich kein Kind kriegen kann, auch keine Lust auf Sex. Das ist für mich momentan zur Pflichtveranstaltung geworden. Nur noch ein Ziel vor Augen.

Auch die nächsten Tage, wiederholen wir diese Übung.

22.05.2016

Ich habe meine Periode bekommen. Weinend sitze ich auf dem Klodeckel. Mein Mann versteht das Problem nicht. "Dann klappt´s halt nächsten Monat. Kein Problem." Aber ich möchte jetzt schwanger sein. Ich möchte jetzt ein Kind. Er versteht es nicht. Spürt nicht den gleichen Druck wie ich.

07.06.2016

Wir versuchen es wieder. Diesmal mit mehr Spaß. Ich lebe wieder ein wenig mehr. Kann es mehr genießen. Sehe es nicht mehr so sehr als Pflichtveranstaltung an. Es geht etwas besser, aber der Druck ist noch da. Ich brauche eine Schwangerschaft um mich wieder vollständig zu fühlen.

21.06.2016

Das Plus auf dem Schwangerschaftstest grinst mich glücklich an. Ich grinse zurück. Ich bin überwältigt. Diesmal muss es ein Erfolg werden.

22.06.2016

Ich treffe eine schwerwiegende Entscheidung. Ich gehe zum Frauenarzt und lasse mich bis zum ersten Herzschlag krankschreiben. Dieses Mal gehe ich keinerlei Risiko ein. Kein Stress. keine Arbeit, volle Konzentration auf Entspannung und Liebe für mein kleines Bauchkind. Ich habe schon das Gefühl, dass diese Schwangerschaft anders ist. Bei der letzten sind lediglich die Brüste gewachsen. Ansonsten hatte ich keinerlei Symptome. Doch dieses Mal sind Übelkeit, Unwohlsein, Durchfall, Brustwachstum (für dieses Stadium der SS "Aber Hallo") und Schwindel an der Tagesordnung ebenso wie gelegentliches Ziehen im Unterleib. Nennt mich Optimist, aber dieses Mal habe ich ein besseres Gefühl.

bottom of page